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Der Hirnschmelzer

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JesseSaphir's avatar
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Wir wanderten mehrere Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit. Als wir aus dem Wald kamen, konnten wir in der Ferne die Antenne sehen. Eine beeindruckende Konstrukion. Sie war mindestens 150m hoch. Ihre Flügel waren große Eisenkonstruktionen durch die der Wind wie ein Flüstern pfiff. Als ich hörte "Antenne", da dachte ich zuerst an einen einzelnen Turm, aber nicht an so ein riesiges Gebilde. "Dort müssen wir hoch, aber ich schlage vor, wir übernachten erstmal. In der Dunkelheit wäre es riskant die Antenne zu besteigen. Es gibt hier in der Nähe eine verlassene Funkzentrale. Zwei von euch bleiben bei mir, die anderen schauen ob niemand von unseren Freunden dort ist. Die Monolithen sind hier sehr aktiv." befahl Fomin. Ich folgte mit Yurij den beiden Dutys zur Funkstation. Plötzlich blieben sie stehen. "Was ist?" fragte ich leise. "Sieh nur." hauchte Jalava andächtig. Ich blickte in seine Richtung und sah ein Lenin Denkmal. "Ist es nicht wunderschön?" Apparatschik pflichtete ihm bei. Jalava holte das Artefakt aus seinem Rucksack. Er und Apparatschik traten vor das Denkmal und knieten nieder. Erfürchtig legten sie das Artefakt vor dem Denkmal ab.


"Lernen wir kämpfend gleich Lenin zu denken, und so wie Lenin gebrauchen die Macht, laßt uns die blutroten Fahnen schwenken, siegreich mit Lenin in jeglicher Schlacht. Oh Lenin, beschütz uns auf unserer Reise und bring uns gesund zurück."


"Was machen die da?" fragte ich Yurij. Yurij senkte seine Stimme. "Die sind schön blöd, lassen so ein wertvolles Artefakt als eine Art Opfer hier liegen. Das ist ein uraltes Sowjetritual." Er lachte spöttisch. "Dabei heißt es Kommunisten glauben nicht an sowas, aber wenn du meinen Rat hören willst: Lass es besser liegen. Wenn die das bei dir finden und es liegt nicht mehr bei der Statue...dann gnade dir Gott oder Lenin, wie mans nimmt." Verdammt, dieses Artefakt könnte ich gut gebrauchen. Mein PDA sagte über den Mondstein, dass er nicht grade häufig ist.


Wir beobachteten wie die beiden Dutys aufstanden und zurück kamen. "Auf gehts, ihr Nieten." Wir betraten vorsichtig die Funkstation. Die unteren Fenster waren zugenagelt, aber wir konnten durch die Tür. Laut PDA schien sie verlassen, aber dennoch durchsuchten wir jeden Raum. Bis auf ein paar alte Vorräte gab es nichts wertvolles. "Fomin, du kannst deinen Arsch herbewegen." funkte Jalava. Apparatschik zündete ein Feuer an und stellte eine Dose drauf. "Wir essen jetzt erstmal und übernachten hier."


Das warme Essen machte mich langsam müde. Auch die anderen wurden ruhiger. Die Reise war nicht grade leicht und die Strahlung tat ihr übliches. Wir sind zwar einigermaßen geschützt, dennoch hat die Strahlung etwas Einfluss. Vielleicht komme ich zurück und bin zeugungsunfähig...ich war froh, das wir zumindest eine Tochter hatten, obwohl Yulia sich ein zweites Kind wünschte. Ich fror leicht und kroch in meinen Schlafsack. Ich fiel fast sofort in tiefen Schlaf.


Ich stand vor einem hellen Stein. Er war wunderschön...plötzlich hörte ich eine Stimme:"Was du möchtest ist hier, Stalker. Komm, dein Pfad endet hier.Komm zu mir. Was auch immer du dir wünschst, es wird dir erfüllt. Komm zu mir, die Zeit ist nah, ich erkenne deinen Wunsch. Die Reise ist beendet.Komm zu mir! Komm zu mir, du bekommst was du verdienst! Komm zu mir!" Ich empfand eine tiefe Liebe. So ein starkes Gefühl hab ich noch nie gefühlt, nicht mal für Yulia.


Schweißgebadet schreckte ich hoch. Ich hatte starke Kopfschmerzen, was ich auf die Strahlung schob. Was war das für ein Traum? So intensiv träume ich normalerweise nicht. Draußen war es noch dunkel. Mein PDA zeigte an, dass wir hier fast 24 Stunden gewesen sein müssen. Wie ist das möglich? Haben wir einen ganzen Tag durchweg geschlafen? Ich hörte die gleichmäßigen Atemgeräusche der anderen. Scheinbar schliefen sie ebenfalls tief. Leise verließ ich meinen Schlafsack. Ich werde mir jetzt das Artefakt holen und es gut verstecken nahm ich mir vor. Es war ganz schön schwierig sich den Weg aus dem Raum zu bahnen. Draußen konnte ich ja wenigstens die Taschenlampe anmachen. Ich schlich mich zur Lenin Statue. Das Artefakt lag noch immer dort und beleuchtete seine Umgebung. Lenin sah mich mit seinem üblichen warmen Blick an. "Sorry, Alter, aber ich glaub ich brauch das mehr als du." Ich packte es gut eingewickelt tief in meinen Rucksack und eilte zurück. Die anderen waren noch am Schlafen. Ich entzündete das Feuer und kochte etwas zum Frühstück. Von den Geräuschen wurden die anderen wach. "Fomin, sag, kann es wirklich sein, das wir hier 24 Stunden waren? Laut meinem PDA ist ein ganzer Tag vergangen." Die anderen blickten auf ihre PDAs. "Ja, das stimmt." stellten sie mit Erstaunen fest. "Macht euch da keine Sorgen. Es kann sein, das die Strahlung den PDA ein wenig durcheinander bringt. Wir messen hier ja sehr starke Werte, selbst für die neuen Maßstäbe. Ich würd dem jetzt nicht soviel Beachtung beimessen." Was immer der Nerd sagt, aber unheimlich war es schon.


Wir packten unsere Sachen zusammen und machten uns auf den Restweg zur Antenne. Glücklicherweise gingen wir nicht wieder an der Statue vorbei. Ich darf also weiterleben. Die Antenne war eindrucksvoll. "Ich fürchte, wir müssen wirklich nach oben klettern. Dort oben messe ich etwas. Scheinbar hat die Antenne dort oben eine starke Strahlungsquelle und genau diese Daten suche ich. Dann können wir vielleicht selbst Anomalien herstellen. Ich gehe davon aus, das vielleicht Staub auf die Antenne kam und sich dadurch etwas entwickelt hat. Ich schlage vor wir steigen paarweise, maximal zu dritt hoch. Die Stufen sind nicht mehr das neuste." So stiegen wir die rostigen Stufen hinauf. Es war kein Sommer mehr, weshalb die obersten Stufen vereist waren. Die Stufen waren unheimlich schwer zu erklimmen, denn die Leitern waren nicht ergonomisch angelegt. Glücklicherweise hatten sie eine Art Auffangkorb, sodass man sich kurz anlehnen konnte. Eine Stufe brach unter mir. Mit einem Riesenschrecken krallte ich mich fest und konnte grade noch so einen Schrei unterdrücken. Unten hatte ich einen Fahrstuhl gesehen, nur was nützte er, wenn das AKW keinen Strom lieferte? Ich mußte nach jeder Leiter pausieren. Meine Form war nicht die beste und man zog sich an diesen verrosteten Leitern mit dem ganzen Gewicht senkrecht hoch. Die Duties waren bereits oben, die anderen kämpften auch noch. "Mach hin Fomin, du wolltest hier rauf." rief Jalava und Apparatschik lachte. Ich wollte zumindest vor dem Nerd oben sein und beeilte mich. Oben brach ich erstmal zusammen und wurde grob von Apparatschik angestoßen. "Genosse, komm hoch, hier wird nicht gepennt." Ich widersprach ihm nicht, denn ich hatte keine Lust, das der mich nachher von der Antenne warf. Fomin kam schließlich keuchend nach oben. Er packte seine Messgeräte aus. Ich langweilte mich und mein Blick schweifte in die Ferne. Ich fixierte das AKW, was man von hier aus sehr gut sehen konnte. Dann sah ich eine helle Lichtspiegelung. Sie zog mich regelrecht in den Bann. Was war das? Ich spürte wieder diesen stechenden Schmerz im Kopf. "Komm zu mir." Erschrocken drehte ich mich um. "Was glotzt du denn so?" machte mich Jalava an. Ich drehte mich zurück um dieses Licht wieder zu sehen. Plötzlich sah ich diesen wunderschönen Monoliten aus meinem Traum wieder. Wieder war da diese tiefe Liebe. Eine Mischung aus Anziehung und wilder Unterwerfung. Ich möchte dem Monolithen dienen, ich möchte das er ein gutes Wort zu mir spricht. Was war das? Was war los mit mir? Ich wollte einen der anderen um Hilfe bitten, aber meine Lippen waren wie versiegelt. Der bohrende Schmerz hat sich in ein Brennen verwandelt. Als ob jemand Säure in meinen Kopf goss. "Komm zu mir, alles Leid endet hier." hörte ich wieder diese Stimme. Die Liebe wurde stärker. Mein einziger Lebenssinn ist es dem Monolithen zu dienen. "Oh Monolith..." murmelte ich. "Was hast du gesagt?" fuhr mich Yurij an. "Hm? Ich sagte oh Lenin." Apparatschik und Jalava lächelten mich an. "Ich glaub du bist wohl doch gut bei uns aufgehoben. Fomin, mach mal hinne, wir wollen nach Hause." Fomin bastelte an seinen Gerätschaften herum. "Jaja, bin ja gleich fertig." Ich blickte wieder zum Akw. Ich wollte die Weisheit des Monolithen verbreiten. Er ist so wunderschön. Ich möchte zu ihm. Ich bemerkte kaum das Apparatschik neben mich trat. "Tja, das haben wir dem Experiment zu verdanken, was dort drüben statt fand. Aber überleg dir das mal ob du nicht zu uns gehören willst. Wir von Duty sind fast alle gute Kommunisten. Bei uns herrscht Kameradschaft." Fomin brauchte noch einige Zeit. "Hm?" Ich hörte kaum was Apparatschik mir von den Errungenschaften des Kommunismus und den Heldentaten Lenins erzählte. Ich dachte kaum noch an Yulia und wenn dann werde ich sie an der Weisheit des Monolithen teilhaben lassen. Fomin war grade dabei seine Gerätschaften sicher zu verstauen, als wir einen Schuss hörten. "Verdammt, ich habe gehofft das ließe sich vermeiden, auf Gefechtsposition." rief Apparatschik. Sie stellten sich so gut sie konnten um Fomin und erwiderten das Feuer. "Verdammte Monolithen, Fomin mach hin!" brüllte Jalava. Fomin raffte seine restlichen Sachen schnellstens zusammen. Wir waren hier wirklich wie auf dem Präsentierteller, allerdings hatte ich keine Angst. Meine Brüder würden mich nicht töten. Wir kletterten auf die zweite Plattform und suchten Schutz hinter den Stäben. Es blieb uns nur zu warten, bis die Monolithen sich entfernten. Dabei wollte ich zu ihnen. Ich liebte doch meine Brüder. Allerdings hatte ich keine Chance. Apparatschik und Jalava würden sofort das Feuer eröffnen, wenn sie bemerken, das ich einer von denen bin. Wir warteten ab. "Man sind die blöd." sagte Yurij, "Die klettern hier rauf." Die anderen entsicherten ihre Waffen. "Was ist, brauchste ne extra Einladung?" Ich entsicherte meine Waffe ebenfalls, aber ich werde nicht schießen. Als die Monolithen Gruppe auf den ersten Leitern waren eröffneten sie das Feuer. Ich krallte meine Waffe fest und kämpfte mit den Tränen. Meine Brüder...diese Schweine schossen auf meine Brüder. Ich drehte meinen Kopf weg um das nicht sehen zu müssen. Am liebsten hätte ich alle meine Mitstreiter abgeschossen, nur ich brauchte das Geld. Wofür eigentlich noch? Der Monolith wird alle meine Probleme lösen, oder? Ich hörte Jalava aufschreien. Eine Kugel hat ihn am Bein getroffen. "Halt durch Genosse, es sind nicht mehr viele." rief Apparatschik ihm zu. Mich streifte ebenfalls eine Kugel, aber der Schmerz war nichts im Gegensatz zu dem brennenden Hass auf die anderen und meiner brennenden Liebe zum Monolithen. "Schieß doch endlich, du Arsch!" rief Yurij mir zu. Ich schoss ein paar mal weit entfernt von meinen Brüdern und hoffte es fällt nicht auf. Irgendwann hatten sie auch den letzten abgeschlachtet. "Los, runter, dann kümmern wir uns um Jalavas Bein." Wir stiegen runter, was leichter war als rauf. Gut, nicht für Jalava, der nur mit unserer Hilfe runter kam. "Was war los mit dir? Wieso hast du uns nicht geholfen, Alexej, wir wären fast draufgegangen du Arsch." Yurij boxte mir grob auf den Arm. "Es.."mir mußte schnell etwas einfallen "es ist irgendwie was völlig anderes, wenn man plötzlich auf Menschen schießt." Das Weichei kommt immer gut. "Reiss dich zusammen, man! Außerdem waren das keine Menschen, sondern Monolithen. Die sind praktisch hirntot. Weil du ein Anfänger bist, verzeihen wir dir, aber das nächste mal sehe ich das als Hochverrat und jetzt geh und hol mir einen Stock." sagte Apparatschik. Er riss währenddessen Jalavas Hosenbein auf und öffnete das Medikit. Ich holte einen Stock und sah die blutigen Reste von Jalavas Fußgelenk."Die Kugel scheint voll durch gegangen zu sein. Das müssen wir schienen. Ich funke mal nach Yantar ob sie uns vielleicht innerhalb des sicheren Gebietes einen Wagen entgegen schicken können." Apparatschik schiente Jalavas Bein so gut es ging. "Komm, halt dich an mir fest, Genosse, wir schaffen das schon, hier hast du Schmerzmittel. Das muß jetzt erstmal gehen. In Yantar haben wir Ärzte." Jalava stand unter Schock und war der Ohnmacht nahe. "Komm, steh auf, wir müssen weiter." Apparatschik stützte ihn. "Komm, vorwärts." Diesmal brauchten wir für die Strecke fast 3 Tage. Ich dachte währenddessen nur an den Monolithen und meine gefallenen Brüder. Ich wollte dem Monolithen nahe sein und meinen Wunsch aussprechen. Dieses Gefühl wurde immer intensiver. Die anderen dachten wohl, dass ich es nicht verkrafte, was ich gesehen habe, aber so war das nicht. Ist ganz gut, wenn sie mich in Ruhe ließen. Die Hauptaufmerksamkeit galt ohnehin Jalava. Er entwickelte ein Fieber und die Wunde fing an sich zu entzünden. Apparatschik hatte Angst, das Jalava es nicht zurückschaffte. Und selbst wenn nicht...sie müßten sich doch nur uns anschließen und Apparatschik könnte Jalava zurück wünschen und nicht nur Jalava, auch Lenin. Nur diese Kommunisten lehnen das wahre Heil ja ab. Selbst schuld. Wahrscheinlich wählte der Monolith nur wenige Auserwählte und ich war einer davon. Das machte mich unheimlich stolz. Mit dem Geld was mir dieser Auftrag brachte, werde ich mir eine bessere Ausrüstung kaufen und dann alles daran setzen andere Monolithen zu finden. Dann will ich für immer nach den Gesetzen der Monolithen leben und dann würde ich Yulia und Anna herholen. Auch sie sollen von der unendlichen Weisheit des Monolithen profitieren. Als wir aus dem roten Wald kamen, stand glücklicherweise ein Fahrzeug bereit, das uns den Rest bis nach Yantar mitnahm.
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